Träger, Getragene und andere Vorgänge

Acht Leute haben die seltsame Idee am anderen Ende des Welt eine gewiße Runde zu drehen. Dort werden sie von zwei Guides geführt. In jedem Dorf, dass sie durchstreifen, warten Hunderte, sie bei ihrem Durchzug zu bestaunen und gegebenfalls zu helfen, mit allem, was sie haben. Doch auch Hoffnungen der Einheimischen gesellen sich rasch zu jeder Begegnung mit den Fremdlingen. Ob man helfen kann, dem Kaffeemarkt in Europa beizutreten. Kirchenpartnerschaften und Tourismuslobbys auf den Weg bringen. Irgendetwas werden diese Weißen doch auf die Reihe kriegen. Es werden viele Versprechungen gemacht, Adressen getauscht, und Reden stolz gehalten. Irgendwann hören die Straßen auf und kein Boot und kein Jeep kann den ganzen Plunder der  Reisegesellschaft mehr tragen. Diese acht Sonderlinge haben allerhand mitgebracht. Für sich. Für alle Fälle. Für diese und jene Situation. Zelte, dreifach Wäsche, Kleidung für warm und kalt, Cremes, Pillen, Bücher und Vitaminriegel. Und Technik ohne Ende. Als wollten sie eine neue Kolonie gründen. Ihre Neugier treibt sie ins Grüne. Eine gewiße Auskennerschaft in den Tropen wollen sie sich zu eigen machen. Mal schauen, was die Wilden treiben, wie die Grillen wummern, ob sich Schlange, Schwein und Schmetterling zeigt. Gut equipt scharwenzeln sie los. Sie haben sich kundig gemacht welcher Schuh, welche Goretexjacke und welche Telefonkarte hier am besten funktionieren. Ihnen hat sich eine kleine Kolonne angeschlossen. Barfüßige, leicht bekleidete Einheimische, schwer bepackt mit dem Plunder der Fremden. Achtzehn Frauen und Männer. Manche benutzen die Tragevorrichtungen der Vaudes, Deuters und Highpeaks. Andere vertellen sie mit Bananenschlinge und Wurzelseil. Tragen Sie um den Kopf, auf der Schuter, an einem Stock. Flink erklimmen ihre muskulösen breite Füße jeden rutschigen Stein, hüpfen tänzeld Abhänge hinab. Bald schon blockieren die ungeschickten, inzwischen schmutzverkrusteten Weißen ihnen den schmalen Pfad. Ein Rhythmus mag nicht recht aufkommen. Ständig machen diese Pausen, verlangen nach Kaffee, Keks und Wasser, viel Wasser. Wer viel schwitzt, braucht viel Getränk. Getränk braucht Geschirr. Speise braucht Töpfe. Und so zieht eines das andere nach. Sojasoße, Corned Beaf, Kaffeepulver, Bratfett und Instantnudeln. Dann kommt alles ins Stocken. Ein Creek kreuzt den Dschungelpfad. Die Einheimischen legen zwei Bäume um, hacken mit der Machete ein paar Stufen hinein, dann können die Fremden bequem gehen. Dachten sie. Die Hochgerüsteten eiern heran, beratschlagen sich, wollen nicht hinüber. Weitere Zweige werden dazu gelegt, so kommt ja selbst die Papua-Oma drüber, mit Augen zu. Die Gischt des Creeks sprudelt, der erste Weiße tritt ins Leere und wird mit einigem Aufwand an einem Totalbad gehindert.  Balance ist wohl ihre Sache nicht. Jetzt werden Steine in das Nass gerollt. So wird es wohl gehen. Einfach springen, von Kuppe zu Kuppe, ein Kinderspiel. Die Fremden pellen ihre Funktionskleidung runter. Wollen sie etwa ein Bad nehmen? Oh nein, sie waten durch den Creek, wie eine Rinderherde. Gütiger, beinahe hätte sie die Strömung umgerissen. Was zum Teufel ist nur los mit Ihnen? Wo kommen sie bloß her, dass sie nicht mal gehen können? Wie muß ihre Welt wohl sein, wo man sich ständig waschen muß, dreimal am Tag einen der Heißhunger befällt und man all den Plunder braucht, den sie hier schleppen? Und ist das nicht die Welt, nach der sie diese ungeschickten, aufgeplusterten Weißlinge beneiden?
Es ist abends in Wohan. Auf halber Strecke nach Mindik. Wir sitzen mit unseren 18 Trägern in einer Feuerhütte. Bald werden wir uns auf unseren Matrazen zur Seite legen (Momos und meine nimmt ein Fünftel der gesamten Hütte ein) und unsere Träger falten sich zu einer amorphen Masse, um ihren Schlaf zu finden. Und diese ganzen Gedanken summen mir durchs Oberstübchen und finden keinen Sinn im Vorgang, keine Pointe unterm Text. Gute Nacht Papua.

2 Kommentare zu „Träger, Getragene und andere Vorgänge“

  1. Artas Kommentar trifft es auf den Punkt. Ein Umkehren ist kein Scheitern. Einen point of no return wollt ihr und sollt ihr nicht erforschen. Nur wer umkehren kann, ist da und stellt sich der Welt mit ihren Gefahren und in ihrer Schönheit.

    Wenn der Sinn abhanden kommt, kann es jedoch gefährlich werden. Was ist der Sinn? Der Sinn! Überall auf der Welt füllen die Menschen ihr Dasein mit Idee – einem Sinn. Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich. Wenn sich die Welt in Matsch auflöst und die Rübe platzt, fällt das Denken schwer, sieht man keinen Sinn. Doch der Sinn versteckt sich nur – unter dickfleischigen Blättern, in der Gischt des Greeks, in einer rauchigen Feuerhütte, in den Herzen der Menschen, mit denen man die Zeit teilt. Irgendwann werden sich die Schichten lösen und ihr werdet den Sinn frei legen. Kai, das wird ein besonderer Moment. Vielleicht eine Pointe unterm Text. Haltet durch, Freunde.

  2. …genau belichtet- das Dilemma, in dem wir stecken! Künstler noch dazu mit großen Ideen, die wir haben und scheitern dann am Alltäglichen des Fremden. Ich erinnere mich gut an dieses Gefühl, in Pakistan. Und trotzdem irgendwann gab es den Punkt einer Annäherung- mit wundbrander Kehle und heißem Kopf, aber ohne Wasser die letzten Kilometer bis zum erdbebengerissenen Pfad zurücklegen zu müssen. Unmöglichkeit! Und dann das (Ab)Wasser des nahen Dorfes- nicht trinkbar- bei Gott. Aber drei Mützen davon über den Kopf, ohne nachzudenken. Vielleicht war das der einzige Augenblick des Nicht-Scheitern am Fremden. Zur Selbsterhaltung eben.

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Die Künstler von Mangan25 unternahmen im Sommer 2016 eine Expedition in das Hochland der Houn-Halbinsel, dem Rückzugsort eines bayrischen Kolonialoffiziers, der sich während des ersten Weltkrieges dort versteckt hielt.

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