ZehnUhrDreissig. Wir besteigen die Minna, donnern den 24.Juni runter. Zum ewigen Park der Madgermanes. Ob deren Kinder noch hier, auf eine sich nicht einlösende Vergangenheit warten werden? Das Elend als Erbhof? Die Frelimo soll es richten. Deren heimliche aber nicht zu übersehende Schatten haben gerade Wachwechsel. Sind eigentlich unsere Zimmer verwanzt? Die DDR und ihr schlechter Atem. Obwohl deren Banner, der wie täglich hier vom Platze grüßt, immer soviel Freundlichkeit ausstrahlt. Am Anfang war es eben gut gemeint. Die Frelimo kennt das Lied. Dass dunkle Mächte ihren ersten Tribun Samora Machel vom Himmel schossen, das war 1986, verleihen diesem Anfang hier im heißen Land einen erhabenen Glanz. Die Melancholie der Tropen. Mit ihm wär es anders ausgegangen. Hier in der Welt der Dünnen. Die Vertreter der dicken Welt (wir) breiten sich samt ihrem schweren Equip im Park aus und warten auf Joses Geschichten. Dresden 1984. Er und seine deutsche Freundin Ilona Kindermann (bitte melden!) spazieren durch den Großen Garten. Ein kleines Kind beginnt entsetzlich zu kreischen. Die Eltern können den kleinen Sachsenmann überhaupt nicht mehr beruhigen. Ilona fragt, was denn passiert sei. Die Eltern drucksen rum, doch rücken dann raus mit der für Jose bis heute ulkigsten Wahrheit seiner Zonenzeit. Will das Kind mal nicht so wie die Eltern wollen, kommt natürlich wer? Der schwarze Mann. Und nun kam der schwarze Mann, Jose! Sein Lachen scheppert durch den Park. Weiter im Interview. – Habt ihr gesungen? – Ja. – Was waren das für Lieder? -Sozialistische. – Kannst Du sie singen Genosse Jose? – Ja, aber ich will nicht. – Was ist los, Genosse Jose, wo drückt der Schuh? – Sie haben mich betrogen, ich kann nicht. – Wer hat Dich betrogen? – Die Regierung. Die Regierung nahm mir mein Geld, was ich in der DDR verdient. – Genosse Jose, was hat das mit dem Lied zu tun? – Jose beginnt zu singen: „Die Frelimo geht voran. Es gibt nur sie. Wir marschieren mit ihr. In eine gerechte Zukunft“ Er will nicht mehr. Wir bauen ab. Der nächste Protagonist wartet. Bei sich zu Hause. Kosca. Der Führer der Madgermanes. Der Mittelstürmer der BSG Chemie Pausa. 20 Tore pro Saison. Sunnyboy. Hüne und Herz. Charismat und Klassenbester. Der, der vorne weg ging in der Schlacht von Finowfurt. 30 : 30. Mosambik gegen eine Auswahl deutscher Fleischmützen. Mit dem Küchenbesteck der Katine im Anschlag gegen das dumpfe Ensemble der Offensivmaschine der Glatzen, die ihre Defensive sträflich vernachlässigt hat. Die Polente rückt an. Das Spiel wird abgebrochen, ohne Wertung. – Bist Du Mitlglied der Frelimo, Kosca? – Jeder ist Mitglied der Frelimo. – Jeder? Erbt man das? – Jeder ist Mitglied. Sogar die Renamo. Alle sind Frelimo. – Weißt Du ein Lied von damals? – Nein. Aber Sauflieder weiß ich. – Sing uns ein Sauflied Genosse Kosca. – Er hebt an zu singen „Siehst Du das schöne Mädchen vorrüberschreiten. Wie sie mit allem was sie hat, wackelt und wackelt und wackelt“ Kosca muß lachen, geht tanzend in einen Hüftswiffle. Der Text geht weiter, deutlich weiter. Mein Hirn hämmert in der Hitze. Alle sind Frelimo. Die schauderhaften Routinen jeder Hoffnung. Frelimo, wann kommt die Revolition, wann marschieren wir wieder und können wir das noch? Wir, die aus der Welt der Dicken, wie ihr, die aus der Welt der Dünnen. Morgen ist wieder Demo. Dort wo alles anfing, für uns vor einer Woche.

Drehschluß. Die Ruhe bleibt erst gar nicht. Georg zeigt Fotos der Familie, Kinder und Katzen und sein stattlich bevorrateter Weinkeller. Unfassbares Staunen im Township. – Bist Du Weinhändler Genosse Linde? – Nein ich bin Weintrinker. Profi. – Raunen. Wir schließen den Set. Unsere Minna kommt. Jorge unser Fahrer, genannt Millimeter-Manne schlüpft durch die Löcher aus Blech des abendlichen Staus. Zurück in der Pension. Der Sonnenuntergang durchs schmale Fenster – die funzlige Beleuchtung einer Pasta-Werbung.

