
Die Tür klappt zu. Ich steige aus dem Camper. Wir beehren einen indianischen Souveniershop. Mir ist das zuviel Angebot. Ich gehe wieder raus und rauche vor dem Nachbargebäude. Eine Bruchbude mit offenem Verschlag. Ich linse hinein, erkenne etwas mir Bekanntes. Ein rundes Ungetüm aus Eisen. Verrottete Kabelstränge. Das…das ist doch…das war eine Bergseilbahn! Und nicht irgendeine, sondern die, auf der Bruno S. sich in Werner Herzogs Film „Stroszeck“ erschossen hatte. Die letzte Szene in diesem wahnsinnigen Film. Hier wurde das gedreht, mitten in Cherokee Downtown. Alter Schwede, das berührt mich jetzt.
Wir waren in den Norden gedampft. Die Great Smoky Mountains lugten immer wieder aus der Ferne heraus. Vorbei an den immergleichen Konsumtempeln, die den Highway säumen. Die ewige Plastikwelt, Fastfoodketten und Buisnessbullshit. Eine Highway-Endlosschleife. Dann endlich eine kleinere Straße. Auf und ab und Grün grün grün! Sich umschlingende Fauna. Efeu, dass an riesigen Bäumen entlang in den Himmel kragt. Reißende Flüße und Schilder „Land zu verkaufen“. Das war mal Cherokee-Land, denke ich. Was denken sie wohl heute, wenn sie solche Schilder sehen? Als sie noch unabhängig waren, hatten sie einen völlig anderen Eigentumsbegriff. Es war unmöglich, Land zu kaufen oder zu verkaufen. Es gehörte allen, oder viel mehr dem Schöpfer. Es war lächerlich, überhaupt etwas anderes zu denken. Ich glaube, hier liegt ein Schlüssel zu allen Problemen auch unserer Zeit. Wenn es unmöglich wäre, das Besitz das rein private übersteigt, dann gebe es all den neoliberalen Irrsinn nicht. Alles, was für alle wichtig ist, darf nicht privat sein. Das ist urkommunistisch, das ist Prieber!
Wir erreichten dann unseren Campgrouond in Cherokee. Happy Hollyday Camping. Unfassbar große Campmobile bevölkerten den Platz. Wir waren der kleinste! Unfassbar dicke Menschen hingen davor ab. Palefaces. Wenn sie sich mal über den Platz bewegten, benutzten sie E-Mobile. Der Anblick das reine Grauen. Unfassbar, dass das, das Resultat des großen Raubzuges der weißen Kolonialisten ist. Die fetten Meschen in Monstermobilen auf einem Campground auf einem Land, das einmal von einer wirklichen Idee beseelt gewesen war.
Nachdem wir dann heute das Museum der Cherokee besucht hatten und weitere Interview- Kontakte angebahnt hatten, ging es dann südlich nach Cullowhee. Dort steht die Western Carolina University und wir versuchten einen besonderen Mann ausfindig zu machen. Prof Thomas Belt. Ein Cherokee-Mann, einer der die Geschichte kennt. Ich hatte mails geschrieben, angerufen. Nie eine Antwort. Jetzt wühlten wir uns durch den riesigen Campus, fragten nach und gaben nicht auf. Dann plötzlich ein winziges Office und wir fanden ihn tatsächlich und kamen schnell ins Gespräch. Wir vereinbarten ein Interview für morgen. Als schon alles klar schien, fragte er nochmal nach unserem Vorhaben. Ich stammele mit meinem schlechten Englisch unsere Wünsche. Er legt den Kopf zur Seite, scheint in mich hypnotisch hineinzuhören, ob ich wohl flunkere oder generell ernst zu nehmen bin. Ich erzähle vom „Nomadischen Gen“, unserem Filmprojekt. Er nickt langsam. „Okay, we see us tomorrow morning.“