Es ist vollbracht. Wir lungern im George-Busch-Airport Houston und werden bald einchecken. Heute früh haben wir unser getreues Wohngefährt bei Cruise Amerika abgegeben und waren selbst etwas überrascht, wieviel Meilen wir runter gerammelt haben. Dreitausendfünfhundertachtundvierzig Meilen, holla das sind 5709km. Die beiden Piloten, also Rübinger und icke sind irgendwie mehr als froh den fliegenden Pappkarton nun nicht mehr steuern zu müssen. Seine großen Aufbauten waren sehr gewöhnungsbedurftige Windfänger und wenn der Asphalt mal ein paar Dellen hatte, kam der Campingkahn ab 90kmh schon ordentlich ins weichgefederte Schlingern.
Mit etwas Wehmut haben wir ihn heute früh dann noch mal gründlich und deutsch durchgeschrubbt und mit einem Klapps auf den Hintern beim lässigen Verleiher abgegeben.
Die letzten Tage waren noch einmal ereignisreich. Wir lagerten am Llano-River, in Dos Rios, ein einsamer und pittoresker Spot, der uns ein letztes mal mit der Schönheit der texanischen Szenerien beschenkte. Zu Hermann Lehmanns Zeiten war dies der letzte Vorposten der blue-eyed-devils, der europäischen Siedler. Hinter dem Fluss begannen die unermesslichen hunting grounds der Comancheria.

Dem Untergang der Comanchen, des einst mächtigsten Tribes Nordamerikas ging ein vierzig jähriger blutrünstiger und von beiden Seiten erbittert geführter Krieg voraus. Erst als die Texaner Taktik und Kampfmethoden der, der rauhen Landschaft perfekt angepassten Comanchen übernahmen, wendete sich das Blatt. Die Texas-Ranger waren ebenso gute Reiter, die im Sattel frühstückten und im Vollgalopp ihre Toilette verrichteten. Sie skalpierten, massakrierten und verstümmelten ihre Gegner, wo auch immer sie diese antrafen.
Die Geschichte endete, wie wir alle wissen in den Elendsquartieren der Reservate im Indian Terretory, dem heutigen Oklahama. Auch für Hermann Lehmann, der bis zuletzt gegen die Büffelkiller auszog, um die größte Tierabschlachtung der Menscheitsgeschichte zu bekämpfen. Über dreißig Millionen Büffel wurden innerhalb von zehn Jahren mit dem kalten Kalkül der Nahrungs – wie Ressourcenzerstörung der Idigenen abgeschlachtet. Man kann Genozide nicht vergleichen. Jeder hat seine eigenen barbarischen Methoden. Mit unseren Sinnen konnten wir den letzten Zeugen, die noch unverbaute Wildniss von Texas und New-Mexiko abtasten und uns zumindest einfühlen. Wie Hermann kehren wir nun nach Hause zurück. Als er von dem Indianerschlächter MacKenzie höchstpersönlich ins Loyal Valley zu seiner weißen Familie aus dem Reservat in Oklahoma zurückgeschickt wird, beginnt sein schwerster Lebensabschnitt. Er sollte viele Jahre brauchen, ehe er sich wieder eingewöhnte in die Sesshaftigkeit, Acker-und Viehzucht, pursuit of happyness und sonntäglichem Kirchgang. Vorgestern schließlich standen wir vor einem kleinen alten Häuschen, dass wir nach langem Suchen und einer letzten Buschirrfahrt schließlich im Valley fanden.

Dies war das alte kleine Kirchlein der deutschen evangelischen Siedler. Hier drinnen revoltierte Hermann so manches mal, wenn der weiße Gott sich partout nicht zeigen wollte. Als Apache noch in zweiwöchigen Peyote-Zeremonien eingeweiht, mochte er sich nicht mehr in dem faden baptistischen Ritus einpassen. Oft störte er mit Geistertanz und Yihaa!-Geschrei die Frömmelei der Deutschen.
Ums Eck des kleinen Gottehauses fanden wir schließlich das Grab von Hermann, eine letzte Berührung. Ich flüstere einen leisen Gruß an diesen unfreiwilligen und tapferen Grenzgänger, dessen Eltern einst aus der Lausitz ausgewandert waren.
Abends in Fredericksburg geniessen wir zum ersten Mal auf der Reise Kleinstadtluft. Die deutscheste Stadt in Amerika verströmt den Charme einer typischen Cowboy-Town. Wir gehen noch einmal essen. Wir testen die german-cuisine und Rübe seinen inzwischen beträchtlich gewachsenen Vokabelschatz: “I name the Wiener Schwnitzel“. Ob die Kellnerin „I think i spider“ dachte, wissen wir nicht, das riesige Schnitzel mit Sauerkraut fand trotzdem seinen Adressaten.

Eine letzte Überraschung gab es dann gestern noch in Houston. Wir suchten nach Wayne Lehmann, dem mutmasslichen Urenkel von Hermann. Nach längerem Recherchieren hatten wir nur eine Adresse herausgefunden. Die Telefonnummern funktionierten nicht mehr.
Wir klingelten in einer vornehmen und geschlossenen Siedlung in Cypress und eine hochbetagte freundliche Dame öffnete uns die Tür und bat uns furchtlos hinein. Ihre Tochter gab uns dann Auskunft. Wayne ist vor zwei Jahren gestorben, aber sie sind ohnehin ein anderer Zweig der Lehmanns. Aber sie alle entstammen den einstigen Auswandererpaar Ernst Johann und Augusta Lehmann aus der Lausitz. Sie weiß vor allem, dass diese windisch waren. Windisch? Hm, windisch, was könnte das sein? Dann macht es klick, na klar windisch ist wendisch!
Die Lehmanns waren also Wenden, Hermanns Vater ist in Friedersdorf/Schlesien, dem heutigen Biedrzychowice geboren, im Kerngebiet der Oberlausitzer Sorben. Und wer stammte aus dem keine 20km entfernten Zittau? Es ist Christian Prieber.
Das Gleichnis vom „Kreise schließen“ mag als kitschiges Stilmittel gelten. Doch wo, wenn nicht in Amerika, dürfte der Wille zum Kitsch legitim wie pathetic zu gleich sein?
Mit reichem Material und zahllosen tiefen Eindrücken verlassen wir nun ein Land, dessen Vergangheit uns sehr bewegt und dessen Schönheit sich hoffentlich in unseren kommenden Arbeiten niederschlagen wird. See you later Baby America und lass es draußen in der Welt ein bischen lockerer angehen.