Ich habe seinen Namen vergessen. Sein Gesicht wird mir sehr wohl In der Erinnerung bleiben. Es liegt etwas dämonisches und schalkhaftes in seinen Zügen. Die Ruinen seiner Zahnreihen sind bethelrot und erinnern an die Trangotürme des Karakorums. „Bossmann, where were you? You was not there. Bossmann.“ Er starrt ins Leere. Vor vier Wochen waren wir schon einmal hier. Auf der Anhöhe der Manaba-Bay, am Gerippe der alten deutschen Gouverneusrsvilla. Er ist der Meinung, wir hätten eine Verabredung gehabt und ich wäre ihr nicht nachgekommen. Ich bleibe ungerührt und versuche ihn zu einem Interview zu überreden. Er lächelt in sich hinein. Überlegen und diabolisch.




Er weiß, warum wir hier sind. Wegen der Geschichte von Detzner, dem Untoten, der der ihn nachts manchmal aufsucht. „Bossmann, i was waiting for you. Too Long. 24 hours a day. Not good. Bossmann.“ Meine Ausflüchte, wir hätten im Regen in Mindik festgesessen, wischt er beiseite. Die Form von Verabredungen, die uns betraf, ist größer als die Mißgunst von Wetter, Schlamm und Logistik.
Lukas richtet den Interviewset ein und winkt uns hinüber. Widerstandslos, doch mit düsterer Mine läßt sich Mister X von Steffen verkabeln. Dann nickt er mir zu, ich solle beginnen, mit meinem albernen Interviewspiel. Ich befrage ihn zur Geschichte der Villa. Er nennt lustlos ein paar magere Daten. Ich stelle weitere unverfängliche Fragen, er retouniert sie einsilbig. Ich komme aufs Thema. Detzner. Ein hastiger und verängstigter Blick ins Rund. „No, no, no. I`m finished Bossmann.“ Er kann nicht weiter erzählen. Detzner wäre hier ganz in der Nähe. Es ginge nicht. Er darf das nicht erzählen. Das hat er versprochen. Wem auch immer. Ich hake nach, penetriere ihn mit Wiederholungen, erzähle von Detzners Tochter, von unseren Erkundungen in Jungzaing. „No. No. No. I can `t tell you. Not possible. No, no Bossmann.“ Dann flüstert er „Detzner is here. Right now….“ Okay. Ich passe. Da meine Fähigkeit zur Transzendenz verkümmert scheint und ich H.D. partout nicht wahrzunehmen vermag, schlage ich einen kleinen Spaziergang zum deutschen Friedhof. Er hat nichts dagegen. Ja er taut förmlich etwas auf. Lukas hält den Daumen hoch.


Das Interview wäre großes Kino gewesen. Ich bespreche mich mit Momo. Mit dem Interview von vor vier Wochen, wo Mister X sehr redselig uns Einblick in seine detznerische Gespensterwelt gewährt hatte, haben wir einen spannenden Bogen für die Gesamtgeschichte verlegt. In umgekehrter Reihenfolge natürlich. Wir wollen auf dem Friedhof dranbleiben.
Dichter Dschungel verschließt den Blick auf das Überwachsene. Die verwunschene Historie. Mister X eilt voraus befreit einzelne Gräber vom dichten Gewächs. Deutsche Namen kommen zum Vorschein. Er hält inne. Hier würde nicht die benannte Person liegen, dies wäre das Grab von Detzner. Ich schaue ungläubig. Im Moment sei keiner Zuhause versichert Mister X und läßt weitere Schauermärchen vom Stapel. Von Uranverstrahlungen, sich öffnenden Gräbern, weiteren umherschwirrenden Untoten.
Walter nimmt mich beiseite. Er verspricht Aufklärung. Ich sage, dass können wir später machen.




Wir unternehmen einen letzten Versuch, Mister X zum Sprechen zu bringen. Im alten Hafen der Maneba-Bay. Es sind ihm zuviele Leute. Nur Momo, Walter, er und ich gehen nun die alte Kaianlage auf und ab. Die Kamera verfolgt uns im Teleobjektiv. Die Funkstrecken sind scharf. Doch vergebens. Detzner wäre immer noch in der Nähe. Er dürfe nichts sagen. Vielleicht morgen an einem sicheren Ort. Wir versuchen noch einen Drohnenflug. Doch H.D. hat wohl dafür gesorgt, dass der Chip zu Hause geblieben ist. No secrets today. Wir bringen Mister X zurück zur Junction, wo er im Gebüsch verschwindet. Am Ende gab er mir noch auf den Weg, auf Mark sehr acht zu geben. Er würde sehr wichtig für meine Zukunft sein. Er wäre gar der, nach dem ich suche. Es wird mir langsam etwas viel, hier in der Sonne bei 35 Grad.
Am Strand von Douglas Dorf gibt Walter uns schließlich Einblick in das erlebte Unheimliche. Mister X würde einer größeren Sekte angehören, die an einen unsichtbaren Dritten glaubt. Es gab Johann Flier und Christian Keyßer, die das Evangelium brachten. Es gab aber auch noch einen geheimnisvollen Dritten. Der wäre der Torwächter zur materiellen Welt, dort wo die Ahnen die Supertools rüberschieben, die einem das Leben erleichtern werden. Der Bodensatz zum späteren Cargocult. Einige Anhänger der Sekte vermischen die historische Gestalt des Detzners mit dem verborgenen Dritten. Da Detzner vier Jahre hier versteckt war, ist er zu diesem Mythos hinüberverschmolzen.


Wir sprechen über Glauben und Wahrheit und wissen, dass vieles fließend vielschichtig ist, was wir wahrnehmen, was wir hoffen, was wir schließlich erreichen. Wie wir es später sehen und beurteilen. Ob H.D. damit etwas anzufangen gewußt, wenn er erfahren hätte, dass er es hier fast zu einer Gottheit gebracht hat? Hätte er dann dem Fantasiegespinst seines Buches, noch ein Religion stiftendes Werk hinzugesetzt? Der Horizont meines Vorstellungsvermögens ist sehr weit. Ich kann das alles plötzlich sehen.